Grundfrage: Wie können wir die Trainingsmethode benutzen, um an uns zu arbeiten?
Ich werde mich hier auf die verschiedenen Stufen des Körpergefühls beziehen, so wie ich sie unter Körpergefühl erklärt habe.
1. Die muskuläre Ebene:
Durch das Training verbessert sich die Gesamtkonstitution des Körpers. Dadurch werden wir Leistungsfähiger und aktiver. Da wir Bewegungen nicht nur einfach ausüben, sondern diese Bewegungen mit unsere Vorstellung begleiten, steigt unsere Konzentrationsfähigkeit. Für gewisse Arbeiten des Alltags brauchen wir auf einmal weniger Zeit. Wir bekommen also ein Teil der investierten Trainingszeit zurück.
Je länger wir aufmerksam trainieren, desto besser wird unser Körpergefühl. Wir nehmen unseren Körper wieder wahr und lernen wieder mit ihm zu kommunizieren. Wir spüren Fehlhaltungen z.B. als Verspannungen. Wir spüren, wie Stress unsere Körperhaltung beeinflusst. Kurz: Wie spüren wieder die Warnsignale des Körpers.
Ohne zu wissen warum, merken wir, dass uns das Training gut tut. Wir fühlen uns nach dem Training ruhiger, zentrierter oder kurz: Wir fühlen uns gut. Die Erklärung, dass die Energiefülle im Kopf- und Brustbereich abgenommen hat und die Energie ins untere Dan Tien abgesunken ist hört sich echt gut an. Aber mal ehrlich: Wer hat das wirklich gespürt? Auf dieser Stufe des Trainings spüren wir nur zwei Zustände:
1. Energiefülle oben: Ich bin gestresst, mir platzt der Kopf, wie soll ich das alles schaffen, ….
2. Die Energie ist abgesunken: Ich fühle mich gut, bin ruhig, entspannt, …
Das Fließen der Energie können wir noch nicht spüren, da unsere Körpergefühl noch nicht fein genug ist und unser Geist noch nicht entspannt genug ist.
Aber durch das Wahrnehmen des zweiten Zustandes haben wir schon viel gewonnen. Wir können nun unseren Tag/Woche besser gestalten. Merken wir, dass wir gestresst sind, dann können wir uns durch die Übungen selber harmonisieren. Unsere Gesamtsituation wird besser. Wir haben nicht mehr so stark das Gefühl, dass wir dem Alltag ausgeliefert sind. Wir können aktiv unsere Befinden gestalten.
Viele hören hier leider auf mit der Methode weiter zu arbeiten. Es reicht ihnen, wenn sie diesen Ausgleich spüren und so ihren Tag/Woche rhythmisieren können.
Aber eigentlich steht man hier am Anfang des ganzen Prozesses. Wir haben jetzt eine Methode an der Hand, mit der wir an uns arbeiten können!
Stufe 2. Körpergefühl für die Haltung.
Trainieren wir aufmerksam weiter, so wird unser Körpergefühl für unsere Haltung immer feiner. Die Korrektur unserer Haltung setzen wir im Alltag um: Bei der Arbeit, beim Warten auf die Bahn, an der Kasse, … Wir erkennen nach und nach, welchen Einfluss gewisse Alltagsfaktoren auf unsere Haltung haben und können dem durch Haltungskorrektur entgegenwirken. Die Anzeichen für Stress und Überarbeitung werden so von uns eher erkannt und wir können schneller darauf reagieren. Vielleicht erleben wir Situationen, in denen wir bewusst merken, wie sich gerade unsere Haltung verändert. In solchen Momenten können wir dann bewusst die Haltung wieder korrigieren und stellen fest, dass alles gar nicht so schlimm ist. Wir merken, dass der Kollege nur seinen eigenen Frust ablassen muss und wir nur gerade zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Ich denke, dass jedem von uns dazu mit Sicherheit viele Beispiele einfallen würden, die mit etwas Abstand betrachtet dann doch gar nicht so wild waren, wie zuerst angenommen. Das Interessante ist, dass wir diesen „Abstand“ durch die Haltungskorrektur auch sofort erreichen können. Bleiben wir ruhig und in unserer Mitte, dann sind wir viel empfänglicher für die eigentliche Botschaft, die an uns gerichtet wird und können dann besser mit der Situation umgehen. Jetzt sind wir in der Lage „gewisse“ Alltagsfaktoren zu hinterfragen. Warum renne ich morgens wie doof zu Bahn und komme schon genervt im Büro an? Fühle ich mich anders, wenn ich 20 Minuten früher aufstehe? Oder sollte ich 20 Minuten länger schlafen? Wieso bin ich an einigen Tagen besonders genervt? Wieso fühle ich mich an bestimmten Tagen besser?
Das Bewusstwerden von verschieden Gemütszuständen, versetzt mich in die Lage dieser zu hinterfragen und zu analysieren. Ich kann andere Strategien ausprobieren und deren Wirkung auf mein Befinden wieder hinterfragen. Stehe ich 20 Minuten eher auf, so komme ich vielleicht viel entspannter im Büro an, kann effektiver arbeiten und bin am Ende des Tages nicht mehr so gestresst. Diese positive Erfahrung macht es mir einfacher meinen Tagesablauf umzustellen. Wir erkennen in der Haltungskorrektur ein Werkzeug, das uns hilft zu erkennen, wann wir aus unsere Mitte kommen und wichtig, wie wir wieder zu unserer Mitte zurückfinden.
Das Ergebnis ist dann ein insgesamt harmonischerer Grundzustand. Dieser hilft uns dann wieder mehr Entspannung in das Training mitzunehmen. Die Trainingsqualität wird besser und unser Körpergefühl noch feiner.
Stufe 3: Das Wahrnehmen von energetischen Zuständen.
Trainieren wir immer weiter und vertrauen auf die Methode, dann können wir irgendwann unserer Körperenergie spüren. Natürlich erst noch grob, aber mit zunehmender Übungspraxis wird auch dieses Gefühl immer feiner. So nach und nach verstehen wir, was mit „Energiefülle im Kopf und Brustbereich“ und was mit einem „vollem Dan Tien“ gemeint ist. Die Erfahrungen die wir hier machen sind vergleichbar mit denen der Stufe 2. Allerdings sind sie viel feiner und wir bekommen langsam eine Vorstellung der zugrundeliegenden Mechanismen. Haben wir Techniken erlernt, mit denen wir unsere Körperenergie ins Dan Tien bringen zurückholen können, so können wir diese, ähnlich wie in Stufe zwei die Haltungskorrektur, im Alltag anwenden. Wir sind nun in der Lage auf einer feineren Ebene unseren Alltag zu reflektieren, so dass wir zu einem insgesamt harmonischeren Alltag gelangen. Leider hat die Medaille aber auch hier zwei Seiten. Wir werden natürlich auch Dinge feststellen, die uns aus unserer Mitte bringen, gegen die wir eigentlich nichts machen können, ohne unser Leben komplett umzuwerfen. Wer hat denn schon Lust seien Job einfach zu kündigen und in die Berge zu ziehen? Wenn die Kinder krank sind und nicht schlafen, geben wir sie natürlich nicht einfach ab! (Hoffe ich zumindest!)
Aber der Unterschied ist, dass wir die Faktoren kennen, und dadurch bewusst akzeptieren können. Durch unsere Übungen haben wir immer die Möglichkeit zurück zu unserer Mitte zu finden. Die Alternative: Ab in die Berge!!! Und jeder der schon einmal länger in der Einsamkeit war, weiß auch, dass das keine einfach Alternative ist. In welcher Kneipe und mit wem trinken wir dann am Wochenende unser Bier/Wein, …?
Stufe 4: Das Wahrnehmen des Energieflusses.
In dieser Stufe merken wir, wenn uns gewisse Situationen und Erlebnisse aus unserer Mitte bringen. Wir merken es in dem Moment, da unserer Körpergefühl fein genug ist, um den Energiefluss zu spüren. Zu Beginn der Stufe können wir allerdings nichts dagegen machen. Wir stellen es nur fest und wissen was gleich mit uns passiert. Dass wir einen Wutanfall bekommen werden, dass wir genervt sein werden, … Aber: Wir können wieder reflektieren, wie es zu dieser Situation gekommen ist und können uns Handlungsstrategien zurechtlegen, damit wir nicht wieder in eine solche Situation kommen. Mit zunehmender Übungspraxis lernen wir aber die Mechanismen kennen, mit denen wir den Energiefluss kontrollieren und steuern können. Dann wird es interessant! Jetzt sind wir in der Lage in dem Moment unsere Energie zurück ins Dan Tien zu bringen. Es kommt erst gar nicht zu einem Wutanfall! Wir bleiben ruhig und können dadurch Herr der Lage bleiben. Intuitiv bekommen wir mit, worum es eigentlich geht und wie wir richtig handeln können. Diese positiven Erfahrungen helfen uns, zu einem intuitiven Handeln zurückzufinden. Wir spüren unbewusst, was das Richtige ist und können danach handeln. Auch, wenn es wieder der Wutanfall ist. Dann war er halt doch richtig und kommt aus unserer Mitte ohne uns aus dieser zu bringen!
Das Vertrauen auf unsere Intuition lässt auch das Zwiegespräch zwischen unserem rationalen Verstand uns unserem Bauchgefühl nach und nach ruhiger werden. Es wird uns bewusst, wir können es nach und nach mit einem gewissen Abstand beobachten und wir stellen fest, was das Zwiegespräch mit uns macht.
Ereignisse bleiben uns so bewusster in unserem Focus, so dass wir Zusammenhänge erkennen können. Jeder kennt glaube ich solche Ereignisse: Im ersten Moment ist mir etwas Blödes passiert. (z.B. die Bahn verpasst, …) Ich ärgere mich darüber. Aber genau dieses Ereignis hat dazu geführt, dass etwas positives passiert ist. (Mir ist beim Warten meine Traumfrau begegnet!!!) Das Erkennen solcher Zusammenhänge stärkt uns, in „blöden Momenten“ ruhiger und besonnener zu bleiben.
Wichtig; Das alles geschieht nicht automatisch!! Nur weil ich Qi Gong, Tai Chi oder Kung Fu praktiziere werde ich nicht von selbst zu einem ausgeglichnen, in sich ruhenden, erleuchteten Mönch!!!!
Ich muss mich schon aktiv selber hinterfragen, mein Handeln reflektieren und selber verändern wollen. Das ist nicht immer angenehm und wir stellen fest, dass wir auch schon mal Fehler machen. Nicht immer nur die anderen. Jede Veränderung ist mit Anstrengung verbunden. Erinnert euch an das Stehen der Grundstellungen. So fühlt sich das auch öfters an! Also: Durchhalten und hart arbeiten!
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