Was ist die Kunst der Kampfkunst?

Immer wieder werde ich gefragt, worin der Unterschied zwischen Kampfsport und Kampfkunst liegt. In vielen Büchern steht, dass Kampfsport nur auf sportliche Wettkämpfe mit klaren Regeln vorbereitet. Im Kampfsport lerne man also Kämpfen nach Regeln. In der Kampfkunst lerne man demnach Kämpfen ohne Regeln. Also Selbstverteidigung, Überleben auf dem Schlachtfeld, oder kurz richtiges, echtes Kämpfen!

Nun praktiziere ich schon seit 25 Jahren täglich Kampfkunst. Aber ich fühle mich nicht als „Kämpfer“, ich möchte auch gar kein Kämpfer sein!
Für mich ist der Unterschied zwischen Kampfsport und Kampfkunst folgender:

Im Kampfsport lernt man Kämpfen. Eine Kampfkunst lehrt nicht mehr zu Kämpfen!

Wie das? Und Warum?
Fängt man mit Kampfsport/Kampfkunst an, so beschäftigt man sich zuerst mit dem körperlichen Kampf. Im Training kämpft man gegen den inneren Schweinehund und gegen Trainingspartner. Sowohl Kampfkunst wie auch Kampfsport bereiten auf Wettkämpfe vor, bei denen wir im Ring gegen einen Gegner kämpfen, oder Formen laufen. Wir haben Schutzkleidung an, mal mehr mal weniger. Es gibt Regeln, in dem einen Wettkampf mehr, in dem anderen weniger.
Sowohl Kampfsport wie auch Kampfkunst beschäftigen sich auch mit Selbstverteidigung. Im Training werden dann auch entsprechende Szenen nachgestellt. Je tiefer wir in das Kämpfen eintauchen, lernen wir alles als Kampf zu deuten. Dadurch können wir gelernte Kampfprinzipien/Kampfstrategien in unseren Alltag übertragen. Wir bemerken, wie uns das hilft weiter zu kommen. Die gelernte Diziplin hilft uns schwierige Situationen durchzuhalten. Also z.B. harte Arbeit, intensives Lernen, … Wir erkennen, dass z.B. Diskussionen auch nicht anders sind als Kämpfe. Gelernte Strategien lassen sich also auch dort anwenden. Im Straßenverkehr herrscht Kampf, in der Firma herrscht Kampf, in der Familie, überall. Aber hilft uns diese Erkenntnis wirklich weiter? Meiner Meinung nach nicht. Kampfsport/Kampfkunst hilft uns dort besser zurechtzufinden, hilft uns die Mechanismen zu verstehen, aber wir kämpfen noch. Wir kämpfen vielleicht besser als viele andere, aber wir wissen auch, dass es immer einen Besseren gibt. Im Training haben wir uns unseren Aggressionen gestellt, haben sie angenommen und gelernt sie zu kontrollieren, um sie bewusst für uns einzusetzen. Aber wir haben sie noch nicht aufgelöst, sie sind noch in uns.
Genau dieses Kämpfen ist es, was wir meiner Meinung nach überwinden müssen, denn dann haben wir eine Methode gefunden, um unsere Aggressionen aufzulösen. Nehmen sie die Talkshows wie z.B Günther Jauch, Maybritt Illner, … Dort treffen sich regelmäßig Repräsentaten unserer Gesellschaft und kämpfen um ein Thema. Was hilft uns das? Nichts! Denn es wird nicht nach einem Konsens gesucht, oder nach Lösungen. Es gibt noch nicht einmal einen klaren Sieger! Alle Beteiligten gehen wieder auseinander, um in der nächsten Talkshow weiter zu kämpfen. Aber es ändert sich nichts. Der Kampf war vielleicht nett anzuschauen, genau wie ein Boxkampf, mehr aber nicht. Prinzip: Brot und Spiele! Leider überträgt sich dieser Kampf auch auf unser tägliches Leben.
Auf der Straße wir um jeden Meter, jede Sekunde gekämpft. Autofahrer gegen Fahrradfahrer oder gegen Fußgänger, Fahrradfahrer gegen Auto und Fußgänger, …
Das Ergebnis ist, dass ALLE Beteiligten gestresst sind. Aber egal, morgen geht es genauso weiter.
Diese Kämpfermentalität spaltet unsere Gesellschaft in Freund und Feind. Denn ohne Gegner müsste ich ja nicht kämpfen.

Wäre es nicht sinnvoller Talkshows so zu gestalten, dass am Ende ein gemeinsamer Konsens stehen würde? Das würde allerdings voraussetzen, dass es den Beteiligeten tatsächlich um das Problem und dessen Lösung ginge. Meistens geht es aber um Positionskämpfe. Es fehlt eine gemeinsame Basis für das Leben in unserer Gesellschaft.
Wie nützlich so eine gemeinsame Basis sein kann, um das Wachstum einer Gesellschaft nicht nur über das Wirtschaftswachstum zu definieren, zeigt das Königreich Bhutan. Dort wurde als wichtiger gesellschaftlicher Faktor das „Bruttonationalglück“ eingeführt. Dieses gilt als Indikator für die Zufriedenheit der Menschen. Wirtschaftliches Wachstum auf Kosten des Bruttonationalglücks ist gesellschaftlich nicht gewollt! Mehr über das Bruttonationalglück!
Wir sehen nur uns, unsere Interessen und kämpfen dafür. Beobachten Sie mal den Straßenverkehr. Das ist purer Kampf. Halten Sie doch einfach mal an und lassen andere vor. Nehmen Sie einfach mal Rücksicht auf andere. Das setzt natürlich die Wahrnehmung für andere und dessen Bedürfnisse voraus. Aber man wird ihnen in den meisten Fällen mit Dankbarkeit begegnen. Diese Dankbarkeit ist angenehmer, als der gewonnene Kampf.

Aber wie schaffen wir das? Wir brauchen Methoden, durch die wir lernen andere Menschen und deren Bedürfnisse erst einmal wahrzunehmen. Wir müssen lernen im Moment zu leben. Das schaffen wir auch durch Kampf, denn wer im Ring an Morgen denkt, hat schon verloren. Allerdings stehen dort die eigenen Bedürfnisse, nämlich das Gewinnen, im Vordergrund. Wir brauchen also Methoden, um das Streben nach dem „Gewinnen wollen“ zu überwinden.
Der Weg dazu hört sich recht einfach an:

Kläre dich selbst und deine Beziehungen (vor allem zu den Eltern/Familie). Finde deine Talente und benutze sie, um für die Gesellschaft zu arbeiten und um deinen Platz in der Gesellschaft zu finden.

Wir brauchen Methoden, die uns zu uns „selbst“ führen, damit wir erkennen können, was wir wirklich wollen. Nicht was wir glauben zu wollen. Durch unsere Erziehung ( Eltern, Schule, Gesellschaft) werden wir geprägt, uns wird vermittelt wie wir sein sollen und welche Ziele wir erreichen sollen. Aber sind das wirklich unsere?! Haben wir das geklärt, so erkennen wir die Beziehungsmechanismen und können uns ihnen entziehen. Erst dann sind wir wirklich in der Lage unsere Position in der Gesellschaft zu finden und sie einzunehmen. Dieses Gefühl, sicher zu sein, was man wirklich will, schafft Zufriedenheit. Aus dieser Zufriedenheit heraus können wir andere Menschen ganz anders wahrnehmen und lernen nicht mehr gegeneinander zu kämpfen.
Allerdings muss dass jeder für sich überwinden. Eine Kampfkunst bietet Methoden genau diesen Weg zu gehen. Deswegen mache ich für mich genau da den Unterschied. Bietet mir ein Kampfsystem eine solche Methode, dann ist es eine Kunst, sonst ist es nur Sport!

Der Wettkampfgedanke in den Kampfsportarten drängt die traditionellen Methoden in den Hintergrund! Ein Wettkampf ist immer auf den Vergleich mit anderen ausgelegt. Dieser Vergleich lenkt unsere Aufmerksamkeit aber von uns weg. Die persönliche Entwicklung tritt damit in den Hintergrund. Im Vordergrund steht die Vorbereitung auf den Wettkampf. Aber nicht nur der Wettkampf ist auf den Vergleich ausgerichtet, sondern auch die ganzen Prüfungssysteme in den Kampfsportarten. Hat man die eine Prüfung bestanden, so fängt man schon mit der Vorbereitung auf die nächste an. Irgendwann wird die Prüfungsvorbereitung zum einzigen Trainingsinhalt. Die Inhalte für die nächste Prüfung sind wichtiger, als die Übungen für die persönliche Entwicklung. Durch eine bestandene Prüfung hat man ja die geprüfte Sicherheit, dass man besser geworden ist. Eine bestandene Prüfung zeigt auch an, dass man besser ist als diejenigen, die diesen Grad noch nicht erreicht haben. Aber leider ist das kein Zeichen für die persönliche Entwicklung.
Wir müssen lernen mit unserem Körper zu arbeiten. Der weis nämlich was gut für uns ist! Wir brauchen Übungen, die unser Köpergefühl verfeinern. Dann können wir wirklich körperlich fühlen, was gut für uns ist und was nicht. Durch dieses „Spüren“ können wir uns selber zu klären. Es gibt Übungen, die uns helfen zu entspannen, indem sie muskuläre Verspannungen, bzw. Verklebungen in dem Fasziengewebe lösen. Ist unser Körper wieder beweglich und gelöst, so können wir auch feine Veränderungen in ihm spüren. Nach und nach lernen wir wieder dies Reaktionen zu deuten, unser „Bauchgefühl“ kommt zurück. Erst dann sind wir eigentlich in der Lage bewusste und eigenständige Entscheidungen für unser Leben zu treffen. Wir sind mit uns im Reinen und müssen nicht mehr kämpfen!
Wir können uns in bestimmten Situationen viel besser zurücknehmen und können andere auch mal „vorlassen“.
Es ist also wieder möglich auch an die Bedürfnisse der anderen Mitmenschen zu denken und

„wenn jeder an jeden denkt, ist an alle gedacht.“

Viele Antworten auf diesen Spruch: „Wenn jeder an sich denkt, ist auch an alle gedacht!“ Logisch betrachtet stimmt das! Unsere Gesellschaft beweget sich meiner Meinung nach leider auch genau in diese Richtung.
Aber in welcher Welt würden sie lieber leben wollen?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert